Er ist einer wenigen parasitisch lebenden Jochpilze (Zygomycota) und ein ganz raffinierter dazu: Ist es ihm gelungen, eine Fliege mit einer Spore zu infizieren und die zum Keimen zu bringen, lässt er sich nicht mehr verdrängen, auch wenn die befallene Fliege alles daran setzt, sich ihres Besatzers zu entledigen.
Der Fliegentöter (Entomophthora muscae). Der Pilz quillt zwischen den Hinterleibssegmenten hervor.
In der Kommandozentrale
Die Hyphen durchdringen das Außenskelett des Kerbtieres an einer der Kerben. Einmal drinnen, ist das Ziel des Angreifers das Gehirn. Und zwar just jener Bereich, der die Bodenarbeit, d.h. die Beintätigkeit der Fliege kontrolliert. In der Kommandozentrale angekommen, zwingt der Pilz die Fliege mit subtilen biochemischen Signalen zur umgehenden Landung.
Am Landeplatz nötigt der Entführer die Fliege zu Fuß auf den höchstgelegenen Punkt ihres Notlandeplatzes zu krabbeln. Der Angreifer weiß: Je oben die Sporen, desto weiter der Wind. Das ist wie bei anderen Pilzen.
Fliegentöter auf einer Stubenfliege. Foto: Georg Schabel
Die Fliege besteigt mit letzter Kraft den Mount Everest
Während die Fliege zu Fuß den Berg besteigt, macht sich der Pilz über die Körperflüssigkeit (Hämolymphe) der Fliege her, um Ambrosia für die Ausbreitung seines Myzels zu tanken. 5 – 7 Tage nach der Infektion hat der Pilz die Fliege komplett durchwachsen.
Die Fliege war inzwischen mit letzter Kraft nahe des Berggipfels angekommen, spreizte Beine und Flügel weit ab und starb. Derweil entwickelt der Pilz an den Hyphen endständige, keulenförmige Konidienträger in Flieges Hinterleib (Abdomen). Das Abdomen schwillt stark an, der Pilz tritt an den Nahtstellen der Hinterleibssegmente aus. Es entsteht das typische Streifenmuster. Jemand nannte das mal eine „Fliege mit Winterreifen“.
Wenige Stunden nach dem Tod der Fliege werden die ersten rundlichen Konidien unter Aufbau eines enorm hohen Zellinnendruckes abgeschleudert. Alsbald setzen sie sich als eine Korona weißen Sporenpulvers um die Fliege herum ab. In der Folge bilden die Konidien ihrerseits Sekundärsporen an einem kurzen Keimschlauch. mDazu braucht es den Kontakt zu einer Fliege nicht. Selbstverständlich sind auch die Primärkonidien hoch infektiös.
Eine zufällig des Weges fliegende männliche Fliege: „Hey, was hat die Lady fürn rattenscharfen Steiß!“ Der Flieger begattet die für ihn attraktiv Gestreifte, obwohl sie schon tot ist. „Oh verdammt, es scheint, dass ich mir etwas eingefangen habe…“
Das alles passiert im Herbst des Fliegenlebens, von September bis November.
Vergleichbar raffiniert gehen Kernkeulen bei der Beschaffung ihrer Ambrosia vor. Man nennt sie nicht umsonst Mindcontrol-Killerfungi.
Namen des Pilzes in anderen Ländern:
dän. Flueskimmel; norw. Fluemugg; schwed. Flugmögel; finn. Kärpäshome; estn. Toakaerbse-putukahallik; isl. Flugusveppur.
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